Tokio ist mit 37 Millionen Einwohnern aktuell die größte Stadt der Welt. Auf Künstler und Kreative wirkt sie wie ein Magnet, denn hier ist immer was los. Auch der polnische Fotograf Lukasz Palka war von Tokio fasziniert und zog vor gut 10 Jahren in die Millionenstadt. Lukasz ist Street Fotograf, Stadtforscher, Science-Fiction-Liebhaber und Mitbegründer von EYExplore (Service für Stadtrundfahrten mit Fotokurs in Tokio) – Auf den Dächern von Tokio erlebt er ein Gefühl der Gelassenheit und das versucht er durch seine Bilder zu evozieren.
Vor einiger Zeit haben wir Lukasz in Tokio getroffen und mit ihm über seinen Weg als Fotograf, seinem Projekt EYExplore und Bilderklau an einer Wand in einem Hotel gesprochen:
Hi Lukasz,
es ist eine große Ehre für uns, dich heute interviewen zu dürfen und wir freuen uns, dass du etwas Zeit für uns gefunden hast.
Erzähle unseren Lesern doch zunächst, wie bist du zur Fotografie gekommen?
Ich interessiere mich für Fotografie, solange ich denken kann. Mein Vater hatte immer einige Kameras zu Hause, also spielte ich mit ihnen und nahm einige Fotos auf Familienausflügen oder dergleichen auf. Aber so richtig bin ich erst 2008, als ich nach Tokio kam, von der Fotografie-Leidenschaft gepackt worden. Nach meinen ersten Monaten in Japan merkte ich, dass ich ein Stubenhocker war und nicht viel raus ging. Um mich zu motivieren, mehr zu unternehmen und die Stadt zu erkunden, legte ich mir eine ziemlich gute Spiegelreflexkamera zu und fuhr in die Stadt. Von da an war es geschehen, ich verließ meine Wohnung nie mehr ohne Kamera und ging, sooft es mir möglich war, auf die Straße.
Du kennst dich mittlerweile gut aus in Tokio, doch wie war es für dich, als du hier angekommen bist? Was hat sich seit damals in der Stadt verändert?
Zu Beginn war Tokio einfach verblüffend – groß, komplex, voller Licht und Leben. Manchmal verirrte ich mich und stieg in die falschen Züge ein, doch heute würde ich sagen, die Stadt hat mich nie komplett überwältigt. Ich habe immer das Gefühl, das ich mich nur dank des gut ausgebauten öffentlichen Verkehrssystems und der öffentlichen Sicherheit gut zurechtfinden kann. Im Laufe der letzten zehn Jahre habe ich viele Veränderungen miterlebt. Die größte Veränderung war wohl die langsame aber stetige Umgestaltung der größten Gebiete der Stadt wie der Shibuya Station. Hier werden Schritt für Schritt kleine, ältere Gebäude gegen brandneue ausgetauscht. Für mich verliert Tokio dadurch seinen Charakter, doch dies ist die Realität einer Stadt: Sie entwickelt sich.
Viele Fotografen zieht es nach Tokio. Vor allem Streetfotografen kommen mit der Hoffnung, das schnelle Leben der Stadt in Bildern festhalten zu können. Welchen Rat würdest du einem Fotografen geben, der zum ersten Mal nach Tokio kommt?
In meinem Herzen bin ich Streetfotograf. Das bedeutet, ich gehe mit meiner Kamera herum und fotografiere Menschen, Momente und Geschichten an öffentlichen Orten. Ich versuche dabei, die außerordentliche Alltäglichkeit des Lebens einzufangen – die flüchtigen Momente, die unbemerkt an unseren Augen vorbeiziehen und dabei in die Nicht-Existenz übergehen. Mein Rat ist daher sehr einfach: Gehe viel, erkunde die Stadt zu Fuß. Die Züge machen es Dir zwar einfach von A nach B zu kommen. Ein Fotograf sollte jedoch ein Spaziergang von einem großen Bahnhof zum anderen unternehmen, denn dies ist eine gute Möglichkeit, die Stadt zu entdecken und abseits der abgetretenen Pfade zu wandern. Dies ist meiner Meinung nach die beste Art und Weise, versteckte Orte zu finden und Momente festzuhalten, die einzigartig für dich sind. Suche dir am Besten eine große Station wie z.B. Shibuya und gehe zu Fuß zu einer anderen Station, z.B. Shinjuku. Es gibt so viele verschiedene Wege, die dorthin führen – du kannst dir also ziemlich sicher sein, dass du eine Route wählst, die noch kein anderer Reisender genommen hat.
Du bist aber nicht nur Fotograf, du bist auch Co-Founder von EYExplore. Kannst du uns ein bisschen was über EYExplore und eure Arbeit dort erzählen?
Wir nennen uns die „Personal Trainer der Fotografen“. Das bedeutet, dass wir die Leute zu kurzen Ausflügen in die Stadt mitnehmen und ihnen dabei helfen, ihre Fotografie-Skills zu verbessern. Unsere Workshops oder „Foto-Abenteuer“ wie wir sie nennen, dauern 2,5 Stunden und sind intensive Kurse zu verschiedenen Themen der Fotografie. Zum Beispiel machen wir einen Architektur- und Straßenfotografie Workshop, „Tokyo Metropolis“. Ein anderes Beispiel ist unser Workshop „Tokyo by night“, bei dem wir Langzeitbelichtungsfotografie in urbanem Umfeld mit unseren Kunden üben. Derzeit bieten wir unsere Workshops in Tokio, Kyoto und Osaka an. Unser Service kommt aber so gut bei unseren Kunden an, dass wir darüber nachdenken nach Übersee zu expandieren.
Das erste Mal, dass du gemerkt hast, dass deine Bilder geklaut werden, war, als du in einem Hotel in der Lobby vor deinem eigenen Bild standest. Hast du noch weitere Erfahrungen mit Bilderklau gemacht? Und, zögerst du manchmal deine Arbeiten online zu teilen, aus Angst, sie könnte ohne gültige Lizenz verwendet werden?
Ja! Ich habe schon ein paar meiner Fotos auf Webseiten gefunden, die dafür keine Genehmigung haben. Ich habe sie über Copytrack gefunden. Copytrack sucht nach solchen Bildern und leitet bei Verstoß auch rechtliche Schritte ein. Wenn es darum geht, meine Arbeit online zu teilen, bin ich schon sehr ängstlich – ich tue es jedoch trotzdem. Ich teile gerne und ich möchte, dass die Leute meine Arbeit sehen, dennoch bin ich sicher, dass meine Fotos oft ohne meine Zustimmung verwendet werden. Dies scheint leider eine Selbstverständlichkeit zu sein, was sehr bedauerlich ist.
Wie findest du den Copytrack Service?
Die Benutzung von Copytrack ist relativ einfach. Mir gefällt das Interface und die Suchergebnisse sind sehr gut und umfassend. Bezüglich der Ergebnisse kann ich noch nicht viel sagen, noch habe ich keine Auszahlung erhalten – doch wir werden sehen, was passiert!
Wenn Du Tokio nicht mehr fotografieren könntest, welche andere Stadt würdest du gerne vor die Linse bekommen wollen?
Hongkong! Ich war schon einmal für ein paar Tage dort und ich fühlte mich gleich wie zuhause. Für mich sind Tokio und Hongkong in gewisser Weise "Partnerstädte". Sie sind sehr unterschiedlich, haben aber viele ähnliche Eigenschaften - das Alter ihrer Infrastruktur verleiht beiden Städten ein "Körnchen", das moderne Städte nicht besitzen. Hong Kong hat sich sicherlich über die Jahrzehnte hinweg entwickelt, aber die Stadt zeigt immer noch ihre ältere Seite sowohl in Bezug auf den physischen Aspekt (Architektur und Infrastruktur) als auch in ihrer Kultur, ihren Menschen und den Geschichten auf den Straßen.