Schon über Generationen hinweg – eigentlich schon mit Erfindung der ersten handlichen Kamera, der Leica – zieht es immer wieder Fotografen vor die Tür. Die Street Photography nahm ihren Lauf. Bis heute werden fast täglich unzählige Momente von Menschen im öffentlichen Raum auf Fotos festgehalten. Doch Vorsicht! Wer sich für die Street Photography begeistert, sollte sich das deutsche Gesetz ganz genau anschauen.
Neben Blenden und Verschlusszeiten müssen Straßenfotografen auch die Rechtsrisiken genau kennen, denn neben Ansprüchen des Abgebildeten droht dem allzu drastischen Fotografen sogar eine Strafverfolgung.
Gerade wenn man als Fotograf nah herangeht, sollte man immer den § 201a Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) im Hinterkopf behalten. „Mal eben“ einen Betrunkenen oder ein Unfallopfer auf der Straße fotografieren, ist seit der Einführung der Norm im Jahr 2015 keine gute Idee mehr. Der § 201a StGB stellt es unter anderem unter Strafe, Fotos zu machen, wenn hierdurch die Hilflosigkeit der abgebildeten Person zur Schau gestellt und dadurch in ihren höchstpersönlichen Lebensbereich eingegriffen wird. Die Strafe für einen Verstoß reicht schnell mal von einer Geldstrafe bis zu zwei Jahren Gefängnis.
STREET PHOTOGRAPHY - Das Fotografieren von hilflosen Personen
Aber im Einzelnen. Was heißt nun hilflos? Das StGB spricht an verschiedenen Stellen von Hilflosigkeit. Hilflos im Sinne dieser Normen ist eine Lage dann, wenn eine Person in Todesgefahr oder Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung schwebt, ohne Möglichkeit sich selbst zu helfen. Dies kann durch äußere Umstände verschuldet sein, z.B. nach Gewalttaten oder Unfällen, oder in der Person selbst liegen, z.B. wenn dieser betrunken, krank oder gebrechlich ist. Diese Definitionen stammen aus einem anderen Teil des StGB, der andere Rechtsgüter als das Persönlichkeitsrecht schützt, und sind damit nicht eins zu eins übertragbar. Aber die Richtung wird deutlich: Der Abgebildete ist dann hilflos, wenn er sich (selbst- oder fremdverschuldet) in einer Lage befindet, aus der er sich selbst nicht befreien kann und in der ihm potenziell auch Schaden droht. Dies kann der bewusstlos betrunkene Obdachlose im Winter auf der Straße sein, wie auch das Unfallopfer, das schwer verletzt neben seinem Auto an der Straße liegt. Dagegen dürfte die bettelnde Rentnerin nicht hilflos im Sinne des Gesetzes sein, denn hilflos ist nicht gleich hilfsbedürftig. Solange die Person noch Schaden von sich abwehren kann, ist sie nicht hilflos.
Neben der Hilflosigkeit der abgebildeten Person verlangt das Gesetz, das es dem Fotografen gerade darum gegangen sein muss, die Hilflosigkeit „zur Schau“ zu stellen. Diese Formulierung erinnert wohl nicht umsonst an die „Schaustellerei“ von Personen auf Jahrmärkten, also an Freakshows. Es geht also darum es zu verhindern, dass hilflose Personen durch die Fotografie noch exponiert werden. Gerade vor Kurzem war zu lesen, dass ein Lkw-Fahrer angezeigt wurde, weil er statt zu helfen die Reanimation eines tödlich verletzten Motorradfahrers auf der Autobahn mit seinem Handy filmte.
Zuletzt muss durch das Fotografieren der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt werden. Der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs ist nah mit der Intimsphäre einer Person verknüpft. Das heißt, insbesondere Abbildungen von Sexualität und Krankheit, aber auch anderen intimen Tätigkeiten verletzen den höchstpersönlichen Lebensbereich. Das Fotografieren des sich einnässenden Drogenjunkies im Vollrausch oder des blutenden, schwer verletzten Opfers einer Gewalttat dürften wohl solche Fälle der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sein.
Was tut nun der Fotograf, der sich nicht strafbar machen will? Fragen Sie sich einfach, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie in dieser Situation abgebildet würden. Wenn Sie keine besonders liberale oder freizügige Person sind, kann es ein ganz guter Indikator dafür sein, den Auslöseknopf mal nicht zu betätigen, wenn Ihnen ein solches Bild vor die Linse käme.