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Europa: Wie Einheitlich ist das Urheberrecht heute?

Ein paar Klicks – und schon sind urheberrechtlich geschützte Werke wie Fotos, Grafiken und Videos auf der ganzen Welt abrufbar. Wenn man sich anschaut, mit welchem Tempo sich Bilder heutzutage im Internet verbreiten, wird klar: Über das Urheberrecht einzelner Länder macht sich kaum jemand Gedanken. Die Verbreitung von geschützten Inhalten kennt im Netz keine räumlichen Grenzen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass zumindest in Europa ein einheitliches Urheberrecht gilt.

Richterhammer liegt auf Gesetzesbuechern

Urheberrecht in Europa: Was ist einheitlich geregelt und wo gibt es länderspezifische Unterschiede?

Bis heute gibt es kein einheitliches europäisches Urheberrecht, das in einem gemeinsamen Regelwerk dokumentiert ist – etwa in einem europäischen Urheberrechtsgesetz. Vielmehr hat jedes europäische Land noch sein eigenes nationales Urhebergesetz. Dass es innerhalb Europas dennoch gemeinsame urheberrechtliche Grundsätze gibt, haben wir einerseits internationalen Urheberrechtsabkommen und andererseits der Gesetzgebung der EU zu verdanken.

► Internationale Urheberrechtsabkommen

Internationale Urheberrechtsabkommen verfolgen das Ziel, für einen länderübergreifenden Urheberrechts-Mindestschutz zu sorgen. Das wohl wichtigste Abkommen ist die sogenannte revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) von 1908. Seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1887 wurde die „Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst“ mehrfach überarbeitet und inzwischen von fast allen Ländern dieser Welt unterzeichnet – derzeit sind es 176 Länder (Stand Juli 2018).

In der RBÜ ist beispielsweise geregelt, dass der urheberrechtliche Schutz mit der Schöpfung des Werks automatisch – ohne zusätzliche Formalitäten wie Registrierung urheberrechtlich geschützter Werke und Copyright-Vermerke – entsteht. Die Übereinkunft garantiert, dass urheberrechtliche Werke nach dem Tod des Urhebers noch für mindestens 50 Jahre urheberrechtlichen Schutz genießen. Die EU hat diesen Schutz 1993 auf 70 Jahre verlängert.

Das Schutzlandprinzip garantiert Angehörigen der Vertragsländer den Schutz ihrer Werke in den anderen Unterzeichnerländern. Bleibt der Schutz des betreffenden Vertragslandes hinter dem Maßstab der RBÜ zurück, garantieren die Rechte der RBÜ einen Mindestschutz. Diese besonderen Rechte sind so etwas wie die „Grundrechte“ des Urheberrechts. Sie betreffen sowohl die Urheberverwertungsrechte als auch die Urheberpersönlichkeitsrechte.

► Länderübergreifende Richtlinien für ein einheitliches Urheberrecht in Europa

Bei den Bemühungen der EU um ein einheitliches europäisches Urheberrecht setzt die EU vor allem die sogenannte Richtlinie ein. Seit den 90er-Jahren wurden 14 Richtlinien erlassen, die das Urheberrecht in Europa angleichen sollten. Im Gegensatz zu einer EU-Verordnung, die in den Mitgliedsstaaten unmittelbar gelten würde, werden die EU-Richtlinien durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt. Wie die Umsetzung genau erfolgt, obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten.

► Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prägt das europäische Urheberrecht

Im Hinblick auf ein europäisches Urheberrecht nimmt auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine immer zentralere Rolle ein. Zum einen hat der EuGH zentrale Bestandteile des Urheberrechts, wie etwa den Begriff des „Werks“ oder der „öffentlichen Wiedergabe“ ausgelegt und damit einen großen Schritt in Richtung eines einheitlichen europäischen Urheberrechts gemacht. Eine solche Auslegung nimmt der EuGH immer dann vor, wenn nationale Gerichte Zweifel haben, wie bestimmte Begriffe der Urheberrechtsrichtlinien zu deuten sind. Der EuGH ist in diesem Fall ein wichtiger Ansprechpartner.

Zum anderen kann der EuGH mit seinen Entscheidungen zur Auslegung von EU-Recht schneller auf den rasanten technologischen Fortschritt reagieren als die Gesetzgebung der EU. So hat der EuGH bereits mehrfach Entscheidungen zu aktuellen Entwicklungen des Internets – beispielsweise zum Linking oder Framing – getroffen. Die Gesetzgebung der EU kann hier nicht Schritt halten. Das lässt sich schon daran erkennen, dass die letzte große Richtlinie, die zentrale Bereiche des Urheberrechts geregelt hat, aus dem Jahr 2001 stammt – aus dem Jahr, in dem Google seine Bildersuche vorgestellt hat, also lange vor Facebook und Instagram.

Weil das EU-Urheberrecht inzwischen als Hindernis für die wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gesehen wird, gibt es weitere Reformbemühungen. Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, hat 2016 einen Entwurf für ein modernisiertes europäisches Urheberrecht vorgelegt. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat im Juni 2018 darüber abgestimmt und sich unter anderem für das Leistungsschutzrecht und die Einführung von Artikel 13 ausgesprochen. Am 12. September 2018 stimmte das Europäische Parlament dem umstrittenen EU-Kommissionsentwurf für eine neue EU-Urheberrechtsdirektive zu. 

Nachdem die darauffolgenden Trilog-Verhandlungen ins Stocken geraten waren, stand die Zukunft der EU-Urheberrechtsreform bereits auf der Kippe. Am 26.03.2019 stimmte das Europaparlament allerdings für die Reform. Vorangegangen waren Proteste zahlreicher Kritiker, mehr als hunderttausend Menschen demonstrierten in Europas Städten. In letzter Instanz ist noch die Zustimmung des EU-Ministerrats erforderlich, die aber als sehr wahrscheinlich gilt. Voraussichtlich wird diese am 15. April 2019 stattfinden. Kommt es zu einer Zustimmung, wäre die EU-Urheberrechtsreform endgültig beschlossen. Die Mitgliedstaaten hätten anschließend 2 Jahre Zeit, die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Wo gibt es in Europa länderübergreifende Lücken im Urheberrecht?

In der InfoSoc-Richtlinie aus dem Jahr 2001 wurden bereits zentrale Fragestellungen rund um das Urheberrecht beantwortet und geregelt – darunter das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Es lassen sich jedoch viele Bereiche finden, die bis jetzt vom EU-Recht noch weitestgehend unberührt sind. Zum Beispiel gibt es in den EU-Richtlinien kaum Regelungen des Urheberpersönlichkeitsrechts und des Urhebervertragsrechts. Letzteres soll durch die geplante EU-Urheberrechtsreform geregelt werden, um faire Verträge mit Urhebern zu gewährleisten.

Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt den Urheber in seiner persönlichen und geistigen Beziehung zum Werk. Es beinhaltet das Namensnennungsrecht des Urhebers und die Möglichkeit, sein Werk vor Entstellungen zu schützen. Die Grundlagen dazu sind schon in der RBÜ geregelt. Während in den meisten EU-Staaten das Urheberpersönlichkeitsrecht genauso lange geschützt ist wie die wirtschaftlichen Verwertungsrechte (also 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers), gibt es auch einige Ausnahmen: In Frankreich und Italien besteht keine zeitliche Begrenzung für das Urheberpersönlichkeitsrecht.

Ein weiterer Unterschied zeigt sich beim sogenannte Schöpferprinzip, das in Deutschland uneingeschränkt gilt: Urheber ist demnach derjenige, der das Werk geschaffen hat. Anders verhält es sich in den Niederlanden und in Großbritannien: Dort gibt es ein „Arbeitgeber-Urheberrecht“. Entsteht ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, so ist nach diesem Prinzip grundsätzlich der Arbeitgeber der Urheber. Allerdings können durch den Arbeitsvertrag auch in Deutschland weitreichende und sogar ausschließliche Nutzungsrechte an den Arbeitgeber übergehen. In der Praxis unterscheiden sich die Prinzipien also nicht so deutlich, wie man es auf den ersten Blick vermuten würde.

Justitia Skulptur - Urteil Europäischer Gerichtshof

Ausnahmeregelungen im Urheberrecht in Europa

Auch in den scheinbar durch EU-Recht geregelten Bereichen des Urheberrechts gibt es Unterschiede. So sieht die bereits erwähnte InfoSoc-Richtlinie zahlreiche Ausnahmefälle vor, in denen urheberrechtlich geschützte Werke ohne Einwilligung des Urhebers verwendet werden dürfen. Dadurch soll ein gerechter Ausgleich der Interessen von Urhebern und Werknutzern geschaffen werden. Es gibt zum Beispiel Ausnahmen für die Nutzung von Werken zum privaten Gebrauch oder zu Forschungs- oder Unterrichtszwecken.

Das Problem dabei: Jedes Mitgliedsland kann die Ausnahmeregelungen in nationales Recht umsetzen, ist dazu aber nicht verpflichtet. Die Übernahme der Ausnahmeregelungen erfolgt freiwillig. Die Mitgliedstaaten können eine, mehrere oder alle Ausnahmen der insgesamt 20 möglichen Regelungen umsetzen. Das führt dazu, dass jedes Land andere Schrankenregelungen hat: Was in dem einem Land verboten ist, kann in einem anderen Land erlaubt sein.

Fotograf vor iMac

Unterschiede im Schadensersatzrecht für Urheberrechtsverletzungen in Europa

Unterschiede gibt es auch im Schadensersatzrecht. Wird in Deutschland ein Foto schuldhaft ohne Erlaubnis verwendet, so bemisst sich der Schadensersatz üblicherweise nach der Gebühr, die der Verwender bei einem ordnungsgemäßen Lizenzerwerb hätte zahlen müssen (fiktive Lizenzgebühr). Eine Verdoppelung dieser Gebühr wird von den Gerichten in Fällen anerkannt, in denen zusätzlich zur unbefugten Verwendung der Urheber nicht genannt wurde. Eine „Strafe“ ist dem deutschen Urheberrecht jedoch fremd.

In unseren Nachbarländern sieht das anders aus: In Österreich kann der Urheber pauschal die doppelte fiktive Lizenzgebühr als Schadensersatz verlangen und in Polen sogar die dreifache Lizenzgebühr. Laut EuGH sind solche Regelungen mit Blick auf EU-Recht nicht zu beanstanden. Das Gericht hebt nämlich hervor, dass die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht geeignet ist, eine Entschädigung für den gesamten tatsächlich erlittenen Schaden zu garantieren. Schließlich würden mit der Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr Kosten, die der Urheber im Zusammenhang mit der Feststellung der Verletzungshandlung hat und eventuelle immaterielle Schäden noch nicht berücksichtigt.

Fazit: Es geht in Richtung Angleichung

Deutlich wird: Es gibt nicht das europäische Urheberrecht. Doch internationale Verträge, die Gesetzgebung der Europäischen Union und nicht zuletzt der Europäische Gerichtshof haben dafür gesorgt, dass sich viele wichtige Bereiche des Urheberrechts innerhalb der EU angleichen. Das ist auch gut so, denn im World Wide Web lässt sich die Verbreitung oder Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken nicht auf einzelne Länder beschränken. Es bleiben jedoch Unterschiede. Um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, bleibt zu hoffen, dass auch nach der Urheberrechtsreform weiterhin an einem einheitlichen europäischen Urheberrecht gearbeitet wird.

Geschrieben von Florian Moritz & Dr. Daniela Mohr

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