Sie möchten wissen, wie der Blutkreislauf funktioniert, was ein Aneurysma ist oder wie es zu Sodbrennen kommt? Dann ist der Hamburger Illustrator Henning Riediger Ihr Mann! Er ist einer unserer ersten Kunden und sein Spezialgebiet sind realistische medizinische Illustrationen. Seine Bilder zeigen anschaulich, wie unser Körper von innen aussieht, wie die verschiedenen Systeme funktionieren und wie sich Störungen auswirken. Mit visueller Unterstützung lassen sich Körperfunktionen perfekt darstellen – und mit Grafiken oft besser als mit Fotos.
In den letzten zehn Jahren hat Henning Riediger ein umfangreiches Archiv mit detailgetreuen anatomischen Grafiken aufgebaut, die er seinen Kunden Online zur Verfügung stellt. Wir haben den erfahrenen Illustrator gefragt, warum ihn das Thema Medizin so fasziniert, was er jungen Kollegen mit auf den Weg geben möchte und welche Erfahrungen er mit Urheberrechtsverletzungen gemacht hat.
Querschnitt von Illustrationen aus dem Grafik-Atelier Riediger
Sie sind medizinischer Illustrator. Wie sind Sie dazu gekommen?
Schon mit 16 oder 17 hatte ich so eine Vision, ich würde später etwas mit darstellender Kunst und Malerei machen. Ich bin da auch vorbelastet durch meinen Großvater, der als Oberschulrat von Hamburg für den Bereich Kunsterziehung zuständig war. Außerdem war mein Bruder, der leider schon mit 49 gestorben ist, ein sehr renommierter Gegenwartskünstler für norddeutsche Landschaftsmalerei. Auf Sylt, im Benediktenhof in Kampen hängen immer noch viele Originale von ihm. Seine Arbeit hat mich in meinen ersten Jahren stark geprägt.
Nach dem Abitur war ich dann ziemlich sicher, dass ich irgendwas mit Kunst studieren will und bin für vier Jahre an die Fachhochschule für Gestaltung gegangen. Da ging es um Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Sach- und Kinderbuchillustration. Während des Studiums hab ich heimlich die ersten Aufträge angenommen. Mich juckte es damals schon so in den Fingern, dass ich selbst Akquise betrieben hab und in Hamburger Modezeitschriften wie Brigitte, Für Sie und Freundin Bleistiftzeichnungen zu Kurzgeschichten gemacht habe. Und die kamen sehr gut an. So habe ich schon mal ein bisschen reingeschnuppert in die Medienlandschaft.
Und wie ging es nach dem Studium weiter?
Nach dem Studium habe ich für ein Jahr in einer Hamburger Galerie gearbeitet, einer sehr bekannten sogar: Commeter am Rathausmarkt, wo auch mein Bruder immer große Ausstellungen hatte. Das war für mich der Eintritt in die Kunstszene. Die Besitzerin der Galerie war sehr entgegenkommend. Sie sagte: „Herr Riediger, wollen Sie nicht selbst etwas für die Galerie machen?“ Ich habe daraufhin Farbschattierungen gestaltet, also Kupferplatten mit einem Metallstab eingekratzt und die Vertiefungen in schwarzer Farbe mit einer Druckmaschine auf Papier gedruckt – sogenannte Radierungen.
Die haben relativ gut eingeschlagen. Meine Motive waren norddeutsche Landschaften und Häuser. Parallel dazu habe ich noch als DJ in einer damals sehr bekannten Hamburger Diskothek in Poppenbüttel gearbeitet. Das war für mich eine aufregende und abwechslungsreiche Zeit.
Meine Bilder bei Commeter sind auch anderen Galerien aufgefallen. Ich bin so lange Zeit immer mit der Mappe losgefahren und hab die Grafiken vor Ort verkauft oder als Kommissionsware dagelassen. Dadurch konnte ich mir ein erstes Standbein aufbauen. Später kam ein Briefpapierverlag aus Hamburg auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich nicht auch ganz normales Briefpapier mit allen möglichen Sachen machen will. Eine andere Firma wollte Kalender mit Bauernhöfen in Deutschland und der Herausgeber hatte die Idee, dass ich Kinderbücher illustriere. Da habe ich 1983 gleich einen Knaller gelandet – das Buch "Hasenmärchen aus aller Welt", das innerhalb von knapp drei Monaten 11.000 Mal verkauft wurde. Damit hat kein Mensch gerechnet, am wenigsten ich selbst.
Auftragsarbeit von einer Werbeagentur für Alpinamed – Thema: Wie stelle ich Stress, Arthrose und Blaseninfektion verständlich dar im Bild.
Wie kamen Sie zu den fast fotorealistischen Illustrationen?
Als wir eine Familie gegründet haben und mein Töchterchen zur Welt kam, brauchte ich mehr finanzielle Sicherheit und habe dann richtig Akquise betrieben. Ich habe mir autodidaktisch Airbrush beigebracht und wurde dadurch immer realistischer. Dazu kam, dass ich in der Zeit noch einen vierwöchigen Aufenthalt in Kalifornien hatte. Mit einem Freund bin ich die ganze Route 66 gefahren. Die Amerikaner hatten in ihren Museen und Ausstellungen gerade diesen Hyperrealismus, wo es ganz realistisch zur Sache ging.
Teilweise wusste man nicht, ob das Fotos, Illustrationen oder Malereien waren. Das hat mich sehr beeindruckt. Und als ich zurückkam aus Kalifornien, fand in Kassel die bekannte Documenta statt. Damals war das Thema: Realismus in der Kunst. Da habe ich einige Vorbilder entdeckt und dachte: „Wow, das will ich irgendwann auch mal können.“
Ja, und als das mit den Landschaftsmotiven und den Radierungen schleppender wurde und viele Galeristen nur noch auf Kommission kaufen wollten, wurde mir das zu unsicher. Mit der ganzen Fahrerei kam ich mir allmählich vor wie ein Vertreter. Ich bin dann mit meiner Mappe in die Höhle des Löwen gegangen: die beiden größten Hamburger Verlage, Heinrich Bauer und Axel Springer. In der Fotoredaktion bei Bild am Sonntag haben sie mich auf eine Tasse Kaffee eingeladen und ich konnte über zwei Stunden mit denen reden. Ich bin dann mit zwei farbigen Doppelseiten für die Bild am Sonntag nach Hause gegangen! Da dachte ich: „Kneif mich mal! Das kann doch nicht wahr sein!“
Und was sollten Sie für die Bild am Sonntag machen?
Auftragsarbeit für Axel Springer / Bild am Sonntag, anschließend unter anderem auch auf dem Titel der Hamburger Morgenpost erschienen.
Der erste von diesen Aufträgen war ein russisches U-Boot, gesunken vor der norwegischen Küste. Sie hatten entdeckt, dass da noch radioaktive Reaktoren an Bord waren. Also eine vollkommen sachliche und detaillierte Illustration, bei der ich erst gar nicht wusste, wie ich da rangehen sollte. Ich hatte dafür aber zehn Tage Zeit. Sie waren vom Ergebnis so begeistert, dass die Illustration gleich in zwei verschiedenen Versionen bundesweit erschienen ist. Eine Woche danach klingelte dann nur noch das Telefon. Alle wollten dieses Motiv kaufen. Und dann wollten sie ein Sommerthema zur Serotoninbildung bei Sonneneinstrahlung. Die Zirbeldrüse wandelt das am Tage im Gehirn gebildete Serotonin in der Dunkelheit der Nacht in Melatonin um.
Das war dann der Start Ihrer Karriere als Medizin-Illustrator ...
Genau. In einer Eppendorfer Medizin-Fachbuchhandlung habe ich mir das nötige Wissen geholt und denen eine Illustration geliefert, auf der eine Dame aus dem Wasser steigt. Auf ihrem Körper sind alle Organe abgebildet und man sieht, in welcher Reihenfolge die auf Sonne reagieren und was genau im Körper passiert. Das war so groß illustriert, dass sie nicht wussten, wie sie das überhaupt einscannen können. Um das Bild zu kopieren, mussten sie es einer Spezialfirma geben. Ich habe die Grafiken dann etwas kleiner gemacht. Ja, und das war der nächste Auslöser.
Dann kamen der Heinrich Bauer Verlag und die Neue Revue. Die hatten eine gute Medizinseite und der Chef fragte mich: „Was halten Sie davon, wenn Sie sich mal mit Photoshop und Computern beschäftigen?“ Das war 1995, da waren erst die ersten Macs auf dem Markt. Ein guter Freund von mir hat damals in einer Werbeagentur ganz oben gearbeitet und der sagte: „Du, ich habe einen ganz großen Bildschirm von Mac.“ Der hatte 21 Zoll, das war gigantisch. Das ist heute gar nicht mehr nachvollziehbar, das waren andere Maßstäbe. Und mein Freund hat dann gesagt, er verkauft ihn mir. Ich habe 4000 Mark nur für diesen Bildschirm bezahlt! Ich habe dann etwas experimentiert und gemerkt, dass mich das reizt.
Wie haben Sie den Einstieg in die Digitalisierung geschafft?
Ein Nachbar, der gut im Programmieren ist, hat mir geholfen, mich gut auszustatten – mit einem Computer und einem Scanner. Da habe ich dann alles eingescannt, was ich im Archiv an Airbrush-Arbeiten hatte. Und dann dachte ich: Photoshop – ja, das ist es!
Es gab überall Kurse, die hätte ich mitmachen können, aber dafür bin ich nicht der Typ. Ich versuche immer, mir die Dinge selbst beizubringen. Also habe ich mir dann autodidaktisch Photoshop beigebracht und dachte: „Wow, da hast du ja GANZ andere Möglichkeiten!“ Ich habe dann alles archiviert. Damals gab es noch die Disks und CDs. Also habe ich einfach CDs mit meinen Arbeiten gebrannt und sie den Redaktionen geschickt – gratis. Das fanden die toll und es wurde eine richtige Win-Win-Geschichte: Sie haben direkt mit meinen Illustrationen von der CD gearbeitet und konnten sie bearbeiten. Das hat die Arbeit natürlich extrem erleichtert.
Mir kam dann auch zugute, dass in den 90ern Redaktionen im Trend waren, die richtige Medizin-Serien gemacht haben. Und da hatte ich dann einen Auftrag bei einer Zeitschrift aus dem Bereich Yellow Press. Die haben angefangen, mit mir Medizin zu machen – also Illustrationen von Herz und Lunge – und diese Serie hörte und hörte nicht auf. Irgendwann haben sie gemeint: „Das können Sie jetzt drei bis vier Jahre für uns machen, jede Woche.“ Das hat mich natürlich unwahrscheinlich motiviert, weil mir das einerseits viel finanzielle Sicherheit gegeben hat und mich andererseits anspornte, immer mehr auszuprobieren.
Die Illustrationen wurden dann sehr detailgetreu. Es ging um alle Formen von Diabetes und um die Entstehung einer Leberzirrhose. Da musste ich natürlich richtig loslegen und habe mir ein Archiv von Büchern angelegt. Dabei bin ich quasi ohne Studium zu einem Mediziner geworden.
"Hast du nicht Angst, dass dein Material geklaut wird? Warum stellst du das ins Internet?"
Sie sind schon lange im Geschäft. Haben Sie irgendwelche Tipps für junge aufstrebende Illustratoren?
Kollegen von mir meinten immer: „Wie kannst du bloß sowas auf CD brennen und verschicken? Hast du nicht Angst, dass dein Material geklaut wird? Warum stellst du das alles ins Internet?“ Was ich sagen will: Wie soll ein Mensch von mir erfahren, was ich kann, wenn es keiner sieht? Da muss ich schon das Risiko eingehen, dass mir vielleicht mal etwas durch die Lappen geht. Doch das Risiko ist allemal kleiner, als wenn ich überhaupt nicht bekannt werde. Nur, ich hatte eben auch die Chance, mit einer Mappe zu großen Werbeagenturen in Hamburg zu gehen. Das ist heute leider nicht mehr so, man kann nicht mehr ganz so viel Akquise machen, indem man sich mit einer Mappe unterm Arm bei Redaktionen einen Termin geben lässt. Die haben einfach keine Zeit dafür.
Ich würde aber immer wieder sagen: Das Material streuen, wenn es etwas außergewöhnlich Gutes ist, und DOCH versuchen, in den Redaktionen vorstellig zu werden. Im Impressum Verlage durchgucken, wer infrage kommt, an wen man sich wenden kann, also erstmal Recherche betreiben und dann wirklich losziehen oder es eben per E-Mail machen. Das ist jedoch meistens zu unpersönlich und wird oft einfach weggewischt, weil die den ganzen Tag den Tisch voll haben. Und dann für sich selbst Werbung machen. Wenn man gut im Programmieren ist, kann man sich eine Webseite einrichten, ist ja heute kein Problem mehr. Meiner Meinung nach setzt sich Qualität IMMER durch, wenn man etwas Besonderes oder etwas Neues anbietet. Viele fangen jetzt an, ihre Arbeiten auf YouTube oder anderen Social-Media-Plattformen einzustellen.
Ich habe zum Beispiel einen ganz jungen Kollegen auf Facebook entdeckt, der macht viel „Hauswandmalerei“ und hat damit einen Riesenerfolg – mal etwas ganz anderes! Er hat das einfach über Facebook promotet. Das hat ihm immer wieder Folgeaufträge gebracht. Die Leute fragen ihn nach seinem Stundenpreis und er sagt dann immer: „Den gibt es so nicht. Es geht nach Qualität und Dauer des Auftrags.“ Es zeigte mir wieder: so hast du selbst auch mal angefangen. Das ist wohl etwas, das sich doch wiederholt. Man muss einfach die Medien nutzen.
Auftragsarbeit Medizin-Illustrations-Serie für das Hamburger Abendblatt (2008). Später auch als Buch veröffentlicht.
Wann sind Sie zum ersten Mal mit einer Urheberrechtsverletzung konfrontiert worden?
Ich habe selbst recherchiert und ein Freund von mir meinte: „Geh mal auf Google Bilder.“ Da bin ich fast vom Hocker gefallen. Ich habe nur einen Test gemacht und dachte so: „Hallo? In welcher Auflösung sind meine Bilder hier zu sehen, ohne dass sie überhaupt gesichert sind.“ Oft bin ich dann draufgekommen, dass diese Verwendungen schon legal waren – doch irgendwann merkte ich, da sind auch welche dabei, die kenn ich überhaupt nicht.
Und dann habe ich festgestellt, dass Copytrack auf dem Markt war, vor etwas mehr als zwei Jahren. Das fand ich toll und habe mir erstmal einen Ordner angelegt mit Fällen, die ich an Copytrack weitergeben wollte. Ein halbes Jahr später bin ich dann wieder darüber gestolpert, da war es mir aber immer noch zu mühselig. Im Februar 2017 dachte ich aber: „So, jetzt gehst du erstmal von der Pike auf alles durch.“
Ich war von Copytrack hellauf begeistert und habe zwei Tage später alles registrieren lassen. Von einem netten Copytrack-Kollegen habe ich eine wirklich gute Einführung bekommen. Der war so liebevoll, hat so viel geholfen und mir Tipps gegeben, was ich machen muss. Ich habe dann allein im ersten halben Jahr, in dem ich dabei war, so an die 30 Fälle gewonnen – nur für Urheberrechtsverletzungen!
Und wie kommen Sie mit unserem System zurecht?
Mit der Handhabung des Systems bin ich sehr zufrieden. Insgesamt läuft es wunderbar. Dass es manchmal nicht schneller geht, kann ich nachvollziehen, es sind eben auch Fälle dabei, die liegen schon sieben oder acht Monate zurück. Aber auf mein Feedback wird immer persönlich eingegangen, was ich sehr schätze. Man hat mir auch versichert, dass nichts verloren geht. Die Fälle, die bei den Anwälten liegen – das braucht eben seine Zeit. Grundsätzlich ist die ganze Geschichte mit Urheberrechtsverletzungen mit Copytrack aber viel entspannter, ich muss nur ab und zu mal reinschauen.
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Geschrieben von Dr. Daniela Mohr